Melanie Hubermann: Teenage Blues. Was Eltern bei depressiven Verstimmungen ihrer Kinder tun können

In ihrem ersten Buch Leuchtturmeltern hat Melanie Hubermann einen Kompass für Eltern skizziert, der ihnen einen festen Stand vermittelt. Den braucht es, um den heranwachsenden Jugendlichen Orientierung auf dem Weg ins Leben geben zu können.

In ihrem neuen Buch Teenage Blues stellt die Autorin die besonderen Zeiten dar, in den denen wir uns als Gesellschaft, insbesondere aber als Eltern befinden. Es gilt, die eigenen Position im Spagat zwischen der größtmöglichen persönlichen Freiheit als Individualisten einerseits und dem ureigensten menschlichen Grundbedürfnis nach Zugehörigkeit andererseits für sich zu finden und an die Kinder/ Jugendlichen weiterzugeben. Wir leben neue Lebenskonzepte, für die es keine Vorbilder gibt. Die Schnelllebigkeit der globalisierten Welt überfordert, macht einsam, lässt wenig wirklich tiefe Beziehungen zu (s. S.11).

Wie kann es Eltern heute – mit all der Verunsicherung, die das Elternsein, aber auch die moderne Welt, die neuen Medien, gesellschaftliche und globale Krisen etc. mit sich bringen – gelingen, Leuchttürme mit einem festen Stand zu sein, mit einem guten Überblick, mit der Fähigkeit, Ordnung und Struktur zu geben, Grenzen zu setzen? (S.13)

Wie schmal der Grat dabei zwischen normalen pubertären Entwicklungsphasen mit Rückzug, Antriebslosigkeit und schwermütigen Zeiten und einer beginnenden depressiven Verstimmung ist, wissen alle, die als Eltern oder als Professionelle mit Jugendlichen im Kontakt sind. Nicht erst seit den Jahren der Pandemie nehmen depressive Phasen bei Jugendlichen zu und werden häufig erst zu spät erkannt.

Melanie Hubermann fächert die Thematik Pubertät und depressive Phasen einfühlsam und informativ auf: Familie als sicherer Hafen – Diagnostische Merkmale einer Depression und deren Herausforderungen – das professionelle Helfernetz – Angst als großes Gefühl hinter der Depression – Persönlichkeitsentwicklung und Krise. Dabei werden Essstörungen, selbstverletzendes Verhalten, Suizidalität und die Thematik um abnabeln und loslassen so angesprochen, dass Eltern im Umgang damit sicherer und wieder handlungsfähig werden. Der Blick auf die Thematiken rund um Schule: Mobbing, Schulabstinenz, unterschiedliche Begabungen und Konzentrationsspannungen werden genauso beleuchtet wie die Chancen und Gefahren der virtuellen Welt.

Mit ihrem Ansatz der New Authority sowie vielen Beispielen aus ihrer therapeutischen Praxis gibt die Autorin den betroffenen Eltern Tools und Haltungen an die Hand. Diese führen Schritt für Schritt aus der Ohnmacht gegenüber der Depressionswolke zurück in die eigene Handlungsfähigkeit und in die Beziehung zu den Jugendlichen. Wie wichtig dabei die eigenen Selbstfürsorge und ein Netzwerk aus professionellen und privaten Unterstützer:Innen, ja die Gesellschaft an sich ist, wird an vielen Stellen, besonders in den Schlussgedanken, deutlich: „ Wir müssen als Gesellschaft anerkennen, dass das Thema Depression kein Taubthema mehr ist und dass es transparent und öffentlich diskutiert und angegangen werden kann. […] Es ist die Aufgabe der Leuchttürme, immer wieder die Alternativen zu einem depressiv geprägten Leben aufzuzeigen. Dafür brauchen wir zeitgemäße Werte […] und eine Offenheit für Perspektivenwechsel, um ein besseres Verständnis für Kontexte zu schaffen.“

Diese gesellschaftliche Verantwortung nimmt Melanie Hubermann ernst, und es war und ist ihr ein Anliegen, mit diesem Buch Eltern zu befähigen, ihre Jugendlichen in problematischen Situationen der Selbstfindung zu unterstützen. Ein Ansatz, den ich sehr empfehlen kann.